Warum Sie im Job nicht authentisch sein müssen - Tipps von Karriereberaterinnen (2024)

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Warum Sie im Job nicht authentisch sein müssen - Tipps von Karriereberaterinnen (1)

Dorothea Assig und Dorothee Echter sind Beraterinnen für das internationale Topmanagement, Konferenzrednerinnen und Autorinnen von Fachartikeln und Fachbüchern. Dazu zählen »Freiheit für Manager« und »Ambition. Wie große Karrieren gelingen«. Ihr jüngstes Buch: »Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin! – Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und wie Sie dennoch weiterkommen.«, Ariston Verlag. In ihren Beiträgen gehen sie besonders auf Probleme von Führungskräften ein. E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de schreiben – Stichwort Assig und Echter

In den vergangenen Jahren hat ein Begriff Fahrt aufgenommen, der fast schon zu einem Must-have im beruflichen Alltag gehört: die Authentizität. Das authentische Selbst gilt als das wahre Selbst, unverbogen, ungekünstelt, wahrhaftig. Warum gilt Authentizität als erstrebenswert? Weil sie Sicherheit verspricht. Wenn Menschen authentisch wären, dann seien sie berechenbar und vertrauenswürdig.

Leider stimmt das nicht. Menschen haben einen wahren Kern, doch gezeigt und auch gefühlt wird ein situationsangepasstes Rollenverhalten. Das variiert je nachdem, ob jemand gerade ein Beurteilungsgespräch mit einem Mitarbeiter führt, mit der Tochter Eis isst oder als Fan im Stadion mitfiebert. Menschen, die in ihrem Rollenverhalten variabel sind, können jede spezifische Äußerung leicht decodieren. Sie verstehen Anspielungen, Scherze, Schweigen, körperliche Nähe oder Distanz, Sprach- und Stimmcodes. Wer dagegen von außen einer Freundesclique zuhört hat, versteht nur Bahnhof. Weil aus Halbsätzen, Anspielungen, Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten, sich die Gruppe ihrer gemeinsamen Geschichte und damit ihrer Freundschaft vergewissert. Und dieses Rollenverhalten nur hier und nirgendwo sonst zeigt.

Im Job wie im Privatleben: Wir haben viele Rollen

Menschen zeigen in jeder ihrer vielen Rollen immer nur einen Ausschnitt ihrer Persönlichkeit – wie in der Partnerschaft und im Beruf auch. Die meisten Menschen glauben, sie selbst seien authentisch und könnten deshalb erkennen, ob jemand authentisch ist. Auch das stimmt nicht. Menschen haben ein sicheres Gefühl, was in einer Situation zu einem richtigen Verhalten gehört und wann jemand sich unangemessen verhält. Es gibt ein unausgesprochenes gesellschaftliches Einverständnis darüber, was in verschiedenen Situationen als angemessen gilt: in einer Kirche, einer Oper, einem Rave, bei einer Beerdigung, einem Meeting mit dem Vorstand. Allen gemeinsam ist, dass subtil von einem auf ein anderes Verhalten gewechselt wird, sobald die definierte Situation vorüber ist.

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Verbundenheit funktioniert über selektive Authentizität

Wer mit Menschen verbunden ist und gut mit Nachbarn, Kolleginnen, Freunden auskommen will, verhält sich selektiv authentisch. So funktioniert Verbundenheit. Wer zum ersten Mal auf die zukünftigen Schwiegereltern trifft, erzählt authentisch das, was passt. Alles andere, etwa wie erotisch die Tinder-Anbahnung war oder dass man im Café Neumann schon deutlich besseren Aprikosenstrudel gegessen hat… eher nicht. Niemand spricht mit der wichtigsten Auftraggeberin von »Frau zu Frau« darüber, welche Kleidung ihr so viel besser stehen würde. Auch der Vorstand erfährt nicht authentisch, wie gähnend langweilig seine Vorträge sind. Außer von seiner Kommunikationsberaterin.

Der fließende Übergang von einer Rolle zur anderen ist Menschen selbstverständlich. Es ist ein autonomes Verhalten. Der ausgelassene Vater, der mit seinen Kindern lustige Lieder singt, ist binnen Nanosekunden am Handy der souveräne Erfolgsmensch, der weitreichende Entscheidungen trifft. Die launige Freundinnengruppe, die sich über die neueste Serie amüsiert, ist umgehend die renommierte Expertinnengruppe, wenn eine von ihnen das Podium für einen Vortrag betritt. Es braucht keine Absprachen, keine Anstrengung, keine Schauspielerei. Je nach Rolle fühlen Menschen sich ganz unterschiedlich authentisch. Das ist die menschliche Lebensweise, nicht reflex- und instinktgesteuert, sondern plastisch und von Rollenerwartungen gelenkt. Das lernt jedes Kind schon von klein auf, es fühlt unterschiedliche Aspekte und interagiert unterschiedlich, ob mit dem jüngeren Bruder, der Mutter, dem Großvater.

Rollenverhalten ist nicht gespielt, es wird keine innere Wahrheit verleugnet, der gesellschaftliche Konsens wird gefühlt und ausagiert. Rollenerwartungen sind gesellschaftlich gewünschte, definierte und bei Nichteinhaltung negativ sanktionierte Verhaltensmerkmale. Und zwar in jedem Bereich, auch in der kreativen Theaterszene oder der rebellischen Punkgruppe. Wird hier »braves« oder »bürgerliches« Verhalten sanktioniert, so wird in Unternehmen die ewig rebellierende Person immer weiter auf der Karriereleiter runtergereicht. Die wenigsten Menschen möchten im öffentlichen Raum verhaltensauffällig sein, deshalb nehmen sie ihre gesellschaftlichen Rollen an. Solange, bis sich Rollenerwartungen verändern, erweitern oder verschwinden.

Es gibt keine Entschuldigung für eine So-bin-ich-eben-Attitüde

Wer jähzornig ist, nicht auf freundliche Weise für sich selbst einstehen kann, verweist gern darauf: »Ich bin so und kann nicht anders.« Oh, doch. Das sind keine unveränderlichen authentischen Charakterzüge, sondern veränderbare Verhaltensmuster. Veränderung ist Menschen immanent. Auch wenn sie sich gegen von außen geforderte Veränderungen wehren, können sie ihre eigenen Widerstände überwinden. Denken Sie daran, was sich in Ihrem Leben in den letzten fünf Jahren verändert hat. Sie sind nicht mehr die gleiche Person, vielleicht hat sich Ihr Freundeskreis gewandelt, Ihr Arbeitsplatz, Ihre Arbeit ist neu. Und Ihr Rollenrepertoire gleich mit. Wahrscheinlich ist es weiter geworden.

Warum Sie im Job nicht authentisch sein müssen - Tipps von Karriereberaterinnen (2024)

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Author: Dr. Pierre Goyette

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Name: Dr. Pierre Goyette

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